Ziel des Ordens ist die Evangelisation. Es muss Menschen geben, «die uneingeschränkt einzig zur Verkündigung des Wortes Gottes bestellt sind » – so umschreibt Papst Honorius III. die Sendung der Predigerbrüder (Bulle vom 4.2.1221). In diesem Verkündigungsauftrag, der Evangelisation durch Wort und Beispiel, sehen die Dominikaner und Dominikanerinnen bis heute ihr Existenzrecht. Dieser Sendung, der nichts anderes im Wege stehen soll, verleiht der dominikanischen Spiritualität ihr besonderes Gepräge: Aufgehen in der Verkündigung des Wortes Gottes im Beten und Tun.
Das Studium: Weil der Prediger, die Predigerin nicht sich selber verkündet, sondern wie die Apostel ganz im Dienst eines Andern, nämlich Gottes steht, muss er/sie sich ein Leben lang darum bemühen, diesen Andern kennenzulernen. Das geschieht vornehmlich im Studium der Heiligen Schrift, welche uns die Geschichte Gottes mit den Menschen überliefert. Und es geschieht im Studium der Theologie, der denkerischen Entfaltung und Durchdringung der Offenbarungsgeschichte.
Die Evangelisation selber ruft nach einem weiteren Schwerpunkt des Studiums. Die Verkündigung soll beim Hörer ankommen und ihn in seiner Situation treffen. Das erfordert ein sorgfältiges Kennenlernen des Menschen auf seinem Weg. Die Prediger-Brüder und Schwestern müssen dem Menschen sehr nahe sein, um zu spüren, wie es diesem ums Herz ist. Gerade die Dominikanerin kann von ihrer fraulichen Begabung her das Charisma des Mitleidens, das Dominikus so sehr eigen war, leben, wenn sie mit Ehrfurcht und Zartheit sich in die Nöte der leidenden Menschen hineinzufühlen versucht, um ihnen wahrhaft Schwester sein zu können. Dieses Studium ist nicht leichter als das der Theologie.
Die Kontemplation: Verkündigung ohne Kontemplation ist undenkbar. Gottes Wort kann nur Gestalt annehmen, wenn es unablässig betrachtet wird. Es muss Fleisch annehmen in den Menschen, die es weitertragen wollen. Diese Frauen und Männer lassen sich mit ihrer ganzen Person auf Gottes Geheimnis ein. Dazu braucht es eine starke innere Bereitschaft, zu hören und über sich verfügen zu lassen.
Es braucht die Geduld, die warten kann, bis das empfangene Wort zur reifen Frucht wird und als Nahrung für die Menschen dienen kann. Da Kontemplation immer persönliche Gottesbegegnung ist, kann sie nicht durch uniforme Gebets- und Meditationsübungen vermittelt werden. Ihre Intimität würde sonst verletzt. Darum wird im Dominikanerorden die Wahl der Mittel der Freiheit des einzelnen überlassen.
Das gemeinsame Leben: Sicher vermag eine Gemeinschaft mehr auszurichten als ein Einzelner. Dominikus und seinen Brüdern und Schwestern lag sehr viel am gemeinsamen Leben. Der Hauptgrund dafür war, dass die Gemeinschaft der beste Boden für die Verkündigung ist. Schon deren Existenz ist gleichsam eine Predigt, da jede wahrhaft christliche Gemeinschaft ein Gleichnis des Reiches Gottes und damit Zeugnis für das Evangelium ist.
Wie für jede Ordensgemeinschaft ist auch für die dominikanische Kommunität die gemeinsame Feier der Liturgie als Eucharistie und als Chorgebet wesentlich. Zum Konventsleben gehören auch die gemeinsamen Mahlzeiten, das ungezwungene Beisammensein (Rekreation) und das Feiern von Festen. Sie alle sind Ausdruck der Freude, die seit Dominikus ein besonderes Zeichen der Brüder und Schwestern im Orden ist.
Der Frau ist es gegeben, das Zusammenleben besonders lebendig und ansprechend zu gestalten. Sie pflegt die Gastfreundschaft und schenkt Geborgenheit. Die Dominikanerin sieht darin einen besonderen Dienst am Wort Gottes. Die ersten, die davon profitieren dürfen, sind die Mitbrüder im Orden. Bei den Schwestern können sie einkehren, wenn sie vertiefte Sammlung suchen, aber auch zu persönlichen Gesprächen. Gerade für jene, die oft unterwegs sind, sind diese Möglichkeiten wichtig.