Meditationen von P. Vladimir Koudelka
Aus eigener Erfahrung wissen wir: Es gibt nichts Geistiges, was nicht auch unseren Leib angeht, und wir sind zu keiner geistigen Regung fähig, ohne dass unser Leib daran beteiligt ist.
Es ist klar, dass der Leib, die Seele und der Geist eine Einheit bilden. Darum müssen wir beim Gebet wieder mehr den ganzen Körper einzubeziehen. Erst wenn unser ganzer Körper mit Leib, Seele und Geist sich im Gebet ausdrücken kann, bilden wir eine Einheit.
Unser Bruder Dominikus, ca. 1170–1221, hat uns dies vorgelebt. Er zeigt uns eine Gebetstradition, in der der Mensch «ganzheitlich» betet. Der Text, der vor 1280 entstanden ist, trägt die Überschrift: «Wie der heilige Dominikus leiblich betete».
Der Text wurde schon im Mittelalter mehrmals mit Bildern versehen. Der Inhalt und die Bilder stellen Dominikus in verschiedenen Körperhaltungen beim Gebet dar. Für ihn war das Gebet der verleiblichte Glaube. Auf diese Weise gelangte er mit Leib und Seele zu Gott, seinem Ursprung und Ziel, er kommunizierte mit dem Absoluten.
Nach seinem Vorbild pflegten die ersten Generationen seiner Brüder und Schwestern - meist in der Nacht – die «stillen Gebete» (orationes secretae), bis diese Gebetsweisen dann in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verschwanden.Wenn unser Gebet wieder Ausdruck des Glaubens, unserer Hingabe an Gott und seiner Verehrung sein soll, muss es auch unsere leibliche Dimension ergreifen.
Der mittelalterliche Text («Dominikus. Gotteserfahrung und Weg in die Welt», herausgegeben und eingeleitet von Vladimir Koudelka, Olten 1983, 109–125) hat ihn während seiner Krankheit zu vorliegenden Meditationen inspiriert.
Dominikus ist von Gott zutiefst ergriffen. In verschiedenen körperlichen Begrüssungsformen drückt er die Haltung des Geschöpfes dem Schöpfer gegenüber aus und anerkennt seine Abhängigkeit von ihm.
Wenn er sich tief verbeugt und anbetet, staunt er über die Liebe Gottes und erfährt ihre Unendlichkeit. Unter dem Antrieb dieser Liebe lässt er sich los, um sich ganz auf Gott einzulassen.
Somit entdeckt er den innigen, vertrauten Kontakt mit Gott, seinem Schöpfer, im tiefsten Sein und wird ganz durchlässig für das Göttliche und ganz verfügbar für Gottes Heilspläne.
Ich stehe aufrecht und entspannt und verbeuge mich langsam und tief, so dass ich die Bewegung in meiner Wirbelsäule wahrnehmen kann. Beim Wiederholen dieser Verbeugungen hole ich mich aus aller Zerstreutheit heraus und wecke die Sehnsucht nach der Nähe Gottes, in die ich mich fallen lasse, damit Gott mich auffangen kann. Ich vergesse mich mit meiner Fremdheit und Ungeduld, und bete Gott an, wie er sich zeigt. Meine Hände und mein Herz werden frei von selbstgemachten Götzenbildern.
Ich beuge mich vor der Majestät Gottes und ich neige mich vor den geringsten und unscheinbarsten Brüdern und Schwestern, in denen ich Gott konkret lieben kann. Ich neige mich, wie Christus sich zu den Füssen der Jünger neigte und ihnen die Füsse wusch. Ich beuge mich wie der mitleidende Dominikus über die menschliche Schwäche, Armut und Sünde, indem ich vergebe und mich versöhne. Diesen Dienst kann ich vollbringen mit Jesus, der meine Last und Schuld auf sich nahm. Dann verehre und verherrliche ich die Heiligkeit Gottes und seine Kraft, die in der Schwachheit mächtig wird.
Dominikus liegt ausgestreckt auf der Erde (prostratio), weil er aus Erde geformt ist und zur Erde gehört. Er weiss, er ist Staub, aber von Gott vorbehaltlos geliebt, damit der Staub Gott loben kann. Er gibt sich Gott preis, ohne einen Zweck zu suchen. Das macht ihn gelehrig und fügsam für den Heiligen Geist. Dieser führt ihn zur Wahrheit, weil Dominikus demütig ist.
Deshalb kann er realistisch, illussionslos und hingabefähig sein. Er setzt das Mass nicht in sich selbst, sondern in den Absoluten, dem er sich in seiner Schwachheit ganz anvertraut. Im Vertrauen auf den Absoluten ruft er laut, weint und bittet für seine Brüder, die kranke Kirche und die unheile Welt.
Ich liege ausgestreckt auf dem Fussboden und versuche, nichts zu wünschen und nichts zu bitten. Ich erkenne meine Ohnmacht und meine Verwundbarkeit, aber auch die unendliche und schweigende Gegenwart Gottes, der ich mich übereigne. Oder ich versuche - im Sinne des alten liturgischen Clamors (des lauten Rufens) -, mir die konkrete Not der Kirche, der Welt, der geschundenen Umwelt, der Mitmenschen und auch die meine vor Augen zu stellen und diese Not herauszuschreien. Ich bringe alle Dinge, die Mitmenschen und Ereignisse und mich selbst in grenzenlosem Vertrauen in Beziehung zu Gott, ohne eigene Lösungen zu wünschen. Mein Blick ist nicht auf die erbetene Gabe, sondern auf das Gebet gerichtet, so dass ich in die Pläne Gottes hineintreten kann.
Im fürbittenden Gebet aus dem Vertrauen auf Gott zeige ich meine Solidarität mit den Nöten der Welt und der Kirche. Ich tue das nach dem Vorbild des menschgewordenen Sohn Gottes, indem sich Gott solidarisch mit diesen Nöten und mit mir gezeigt und sich jedem Menschen zugewandt hat. Die Anliegen Gottes und seine Heilspläne sind auch die meinen. Ich wünsche und erwarte, was Gott wünscht und erwartet. Das verwandelt mich in meinem Innern, und mein Gebet wird eine Frucht des Heiligen Geistes sein. Durch das Gebet bin ich von meiner Verantwortung für eine heilere Welt und eine gesündere Kirche nicht entbunden. Erst wenn ich mich konkret für die Nöte meiner Um- und Mitwelt engagiere, werde ich - wie Dominikus - zum Mitarbeiter Gottes.
Die Geisselung ist eine seltsame und für uns fremde, unverständliche Gebetshaltung. In dieser Geste zeigt sich Dominikus solidarisch mit dem leidenden Gottessohn. Er versucht wie Paulus, "das Todesleiden Jesu an seinem Leib zu tragen, damit auch das Leben Jesu an seinem Leib sichtbar wird" (vgl. 2 Kor 4,10). Er versteht das Gebet als eine Opfergabe an Gott, durch welche er auch Anteil hat am Leid der Sünde, als Teilhabe am Heilsweg Christi.
Durch diese Geste nähert sich Dominikus Gott und fühlt sich für die seelischen Leiden seiner Brüder und Schwestern mitverantwortlich. Er versucht, die göttliche Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit nachzuahmen.
Ich spüre, wie Zwänge und Fremdbestimmung mich gefesselt halten, wie gewisse Haben- und Luststrukturen mich unfrei machen. Sie hindern mich an der Nachfolge Jesu und der Teilhabe an seinem Leben.
Ich bitte Jesus um Befreiung und versuche, mich selber loszuassen, indem ich das Schwere in meinem Leben ertrage, oder etwas Unangenehmes mutig auf mich nehme - ohne Zwang. Geisselung kann heute für mich bedeuten, bewusst auf Dinge, auf Angenehmes zu verzichten. Ich kann z. B. auf eine warme Dusche oder ein gutes Essen verzichten. Dabei ist meine Absicht nicht: Verzicht um des Verzichtes willen, sondern um grössere Harmonie und Reife, im Grunde um eine grössere Liebe und eine grössere Christusähnlichkeit. Dann kann ich JA sagen zu allem Vorläufigen, Widersprüchlichen und Ungelösten in mir. Dann lebe ich die Schicksalsgemeinschaft mit Christus liebend und vertrauend. Ich bete.
Beim letzten Abendmahl spricht Jesus: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird" ... und "dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird" (Lk 22,19-20). Jesus ist der Immanuel - Gott mit uns -und ein Mensch für die Mitmenschen. Ich möchte wie Jesus ein Mensch für die anderen sein. Die Stricke der Geisselung zeichneten den Leib Jesu, sein Herz war aber von Schmerzen und Ängsten der Menschen verwundet. Ich möchte wie er freiwillig den Schmerz der Menschen teilen. "Ich kann Gott in meinem Leib verherrlichen" (vgl. 1 Kor 6,20). Dann bete ich nicht nur mit den Lippen, sondern mit meinem ganzen Leib.
Dominikus steht vor Gott und unterbricht das Stehen durch Kniebeugungen. Er steht mit Ehrfurcht vor Gott, bereit zu horchen, bereit zum Aufbruch. Er hat festen Boden unter den Füssen und wird getragen. Das schenkt ihm Vertrauen und neue Impulse zu neuen Aufbrüchen.
In den Kniebeugungen geht er in die innere Bewegung der Hingabe hinein, das Horchen wandelt sich zum Gehorchen. Dominikus' Blick ist fest auf den Gekreuzigten gerichtet. Von dort erhält er Trost und Gelassenheit. In der Kontemplation kann Dominikus dann nur mit einem Blick auf das Wesentliche hinweisen, er braucht nicht viele Worte zu machen.
Ich stelle mich aufrecht und entspannt vor das Kreuz und spüre den festen Boden unter den Füssen. Er ist tragfähig. Mein Blick ist auf den Gekreuzigten gerichtet. Ich weiss, ich werde mit Liebe von Gott angeschaut, er sieht mich in zeitloser Ewigkeit; ich sehe mich mit meinen begrenzten Wünschen und Bedürfnissen nur in der Gegenwart.
Der Blick Gottes ist schöpferisch, er macht mich neu und offenbart mir Möglichkeiten, die in mir verborgen sind. Er macht mich hellsichtig und lässt mich staunen über das Gute, das Gott tut und im Menschen verborgen ist.
Ich werde davon bestimmt, was ich mit Liebe wahrnehme und mit Liebe anschaue. Damit ich mich von Irrlichtern nicht blenden lasse und kein Zwielicht liebe, möchte ich meinen Blick freihalten von Egoismus und Gleichgültigkeit, von Vorurteilen, Verdächtigungen und Misstrauen. Ich möchte ihn öffnen für Herzlichkeit, Güte, Sympathie und Diskretion. Ich möchte meinen Blick dem reinigenden Licht Gottes aussetzen, damit er meine Härte entwaffne und ihn durch die Fähigkeit des Sich-Wunderns verjünge. Dann werde ich - wie Dominikus - am Schmerz der anderen nicht vorbeisehen und Menschen, Situationen und Elend nicht übersehen.
Dominikus betet nicht nur mit dem ganzen Leib, sondern oft auch nur mit den Händen. Seine Hände sind Spiegel seiner Seele, Werkzeug seines Geistes und Freundinnen seines Wortes.
Er öffnet seine Hände, verzichtet auf sein Tun und übergibt sich ganz dem Absoluten
Tun und übergibt sich ganz dem Absoluten. Er lebt das Leben als Gabe, deshalb kann er sich weggeben und sich nehmen lassen, er kann seine gefalteten Hände in die Hände Gottes legen und dadurch seine Abhängigkeit von ihm bekunden. Er faltet die Hände und dankt.
Gott kann durch seine Hände wirken, Schwache stützen, Brot teilen, heilen und segnen.
Ich stehe oder sitze entspannt, erhebe langsam meine Hände, bis sie vor mir ausgestreckt sind. Meine Hände sind durchseelt, sie führen nur das aus, was in meinen Gedanken schon vorhanden ist. Ich balle die Hände zu Fäusten und nehme die Spannung wahr, die in mir entsteht. Ich lasse die Hände los und öffne sie wie eine Schale. Damit lasse ich jede Verschlossenheit, Bitterkeit, jedes Misstrauen los. Ich bin frei und leer, meine Hände sind zum Empfangen bereit, damit Gott sie füllen kann mit seiner Vergebung und Liebe, mit dem Leib seines Sohnes. Ich empfange in der Gemeinschaft und für die Gemeinschaft.
Meine Hände sind mehr als nur ein Körperteil. Sie bringen nahe und machen erfahrbar, was fern und fremd erschien. Sie dürfen aber nicht gierig festhalten wollen, bedrohen und zerstören. Sie sollen offen sein. Dann verleiht ihnen der Geist die Gestalt, bewegt sie und haucht ihnen eine immer neue Form ein, dass sie Liebe und Güte in die Welt bringen, sie heiligen und vom Empfangenen austeilen. Mit gefalteten Händen kann ich mich ruhig fallen lassen, ich werde von der grossen Hand Gottes aufgefangen.
Mit ausgespannten Armen betet Dominikus vor dem Kreuz. Im Kreuz betrachtet er die Auswirkung der Liebe Gottes zu ihm und zieht Konsequenzen daraus für sein Leben. Er steht da: offen, schutzlos und bedürftig, bereit, wie Christus am Kreuz, Liebe zu schenken, um Liebe zu wecken.
Aus der Verbundenheit mit dem Gekreuzigten entsteht bei ihm die Sehnsucht, die Arme des Kreuzes verlängern zu helfen, damit sie die ganze Welt umarmen und heilen können. Unter dem Kreuz beginnt die umfassende Kommunikation zwischen Gott und ihm, die Dominikus zur Brücke macht, auf welcher Begegnungen mit andern stattfinden.
Ich stehe und lasse meine Arme seitlich hochkommen und nehme bewusst wahr , dass meine leibliche Gestalt in der Grundform des Kreuzes angelegt ist. Im Kreuz überschneiden sich die Gegensätze; Oben und Unten werden verbunden, die seitlichen Erstreckungen treten in Verbindung. Das Getrennte wird vereint. Es gibt einen Mittelpunkt, wo sich die Gegensätze versöhnen, wo das Zerrissene wieder zusammengefügt wird: mein Herz. Die leibliche Kreuzesform, die ich selber bin, zeigt auch die geistige Dimension an. Ich darf in meinem Leben die Grundordnung nicht stören, weder die Horizontale verkürzen noch die Vertikale verflachen, sonst zimmere ich mir mein eigenes Kreuz zurecht, das dem Kreuz Christi nicht entspricht und das Baugesetz seiner leiblichen und seelischen Grundgestalt stört.
Im Schatten des Kreuzes können meine Grenzen zu ungeahnten Möglichkeiten werden. Gott stellt sich immer an die Seite des Schwachen und Armen, auch an die Seite meiner Arm-Seligkeit. Auch in ihnen ist die Liebe Gottes immer gegenwärtig. Bevor mein Kreuz mein Kreuz wird, ist es das Kreuz Christi, das mich trägt - er trägt es mit mir.
Die Liebe Christi umfasst mein Leid, meine Nichtigkeit, meine Abgründigkeit, sie bejaht mich. Im Blick auf das Kreuz Jesu liegt die eigentümliche Kraft der Befreiung und Sinnerfüllung, die es mir ermöglichen, alle Situationen glaubend, hoffend und liebend bestehen zu können, ohne mein Kreuz den anderen auf die Schultern legen zu müssen.
Dominikus reckt sich in seiner ganzen Grösse zum Himmel. Seine Hände sind über seinem Kopf hochgestreckt, fest zusammengehalten oder leicht geöffnet, so als wollte er etwas vom Himmel in Empfang nehmen.
Sein Gebet zieht ihn zu Gott hinauf, er versucht nicht, Gott zu sich herabzuziehen. Er streckt sich nach der Gabe Gottes aus, nach dem Angebot seines Reiches. Dieses steht unendlich über seinem Tun, ist aber in ihm gegenwärtig und gibt seinem Tun seinen Sinn. Er weiss, es besteht nicht im Erfolg oder Misserfolg, es blüht in der Liebe. Deshalb betet er, Gott möge ihm eine echte Liebe geben, damit er für das Heil der Menschen wirken könne.
Wie Dominikus recke ich meine Arme über dem Kopf zum Himmel hin und blicke in die gleiche Richtung. Ich spüre meine Verwurzelung in Zeit und Raum. Beim Gebet wird es mir bewusst: Ich strecke mich nach dem Zukünftigen und Kommenden aus, ohne den Boden der Gegenwärtigkeit und Wirklichkeit zu verlassen. Denn hier, in der gegebenen Situation ist meine Aufgabe, in der sich meine Zukunft gestaltet und die Herrschaft Gottes gegenwärtig ist.
Ich überlasse als Mitarbeiter in Gottes Reich die Vollendung meiner Mühe Gott. Das erhält mich frei und gelassen und bewahrt mich vor übertriebener Geschäftigkeit, vor Resignation oder Flucht in die Welt der Illusionen. Ich stehe im Dienst des Reiches Gottes, deshalb baue ich nicht mein Reich auf, ich verhalte mich nicht wie ein Bauherr dieses Reiches. Die Gabe Gottes, sein Reich, ist dort, wo eine Träne getrocknet, wo ein Streit geschlichtet wird, wo eine unzumutbare Struktur geändert und eine zumutbare gefunden wird, wo Vertrauen stärker wird als Verzweiflung.
Die Liebe enthebt mich keiner menschlichen Aufgabe. Ich stehe unter Gottes Macht, mein Handeln untersteht einer Macht, die durch Gerechtigkeit, Treue und Liebe bestimmt wird, deren letzter Wille Heilswille, deren Wirken Heilswirken ist.
Dominikus sitzt vor Gott und schweigt. Gott hört sein Schweigen, sein Lächeln und seine Tränen. Im Schweigen hört Dominikus das Wort Gottes, und sein Schweigen nährt dann sein Wort. Schweigen und Wort sind bei ihm Geschwister, die einander ihre Last tragen.
Dominikus hört und schweigt, damit sein Wort zart werde und heilen könne.
Im Hören und Schweigen kommt er zum Licht, um dieses Licht in der Dunkelheit der menschlichen Wege zu entzünden. Im Schweigen erträgt er das Schweigen Gottes und lernt das Schweigen der Liebe, die sein Schweigen und sein Wort trägt. Ich sitze auf einem festen Stuhl mit hoher Lehne und lasse mich mit dem Rumpf ins Becken wie in eine Schale nieder. Die Hände liegen auf den Oberschenkeln. Ich bin ganz entspannt und locker.
Ich schweige, um still zu werden und den Lärm in mir zum Schweigen zu bringen. Alle Gedanken, Vorstellungen und Erinnerungen von der Welt lasse ich vorbeiziehen, halte sie nicht fest. Ich muss nicht einmal mit Gott oder zu Gott sprechen. Er wird in meinem Schweigen gegenwärtig sein, und seine Anwesenheit wird mich ganz umhüllen, damit ich später - wie Dominikus - von seiner liebenden Gegenwart in den Mitmenschen und in der Schöpfung zu anderen sprechen kann.
Das Wort Gottes ist schon längst an mich ergangen in seinem Sohn Jesus Christus. In ihm hat er mir schon alles gesagt: Dass ich von Gott geliebt werde und deshalb lieben soll. In Stille und Schweigen kann ich mich dem liebenden Wort Gottes nahen, ihm begegnen, mich von ihm verwandeln lassen, auch wenn er mir nicht das sagt, was ich gern hören möchte. Im Schweigen höre ich nicht mich selbst, sondern den leise sprechenden Gott, ich lerne das Wort Gottes und das menschliche Wort zu unterscheiden, damit mein Wort den Nächsten in die göttliche Welt führen kann.
Nach dem Verlassen des Chorherren-stiftes zu Osma ist Dominikus ständig unterwegs. Seine unzähligen Reisen sind Bewegungen durch Raum und Zeit, ein Zeichen, dass er nicht festgemacht und festgefahren ist, dass er auf dem Weg Jesu Christi ist.
Wie der Weg Jesu so ist der Weg des Dominikus mit Verzicht und Loslassen verbunden. Sein Glaube und seine Leidenschaft für das Heil der Menschen führen ihn auf den Weg, der Christus ist.Unterwegs erlebt er die Gemeinschaft der Brüder, trennt sich aber wieder von ihnen, um im Gebet grössere Intimität mit Gott zu erfahren. So kann er seinen Mitmenschen Auskunft über den richtigen Weg geben, ihnen Richtung weisen und mit ihnen noch intensiver verbunden werden.
Ich stehe und konzentriere mich auf die Fusssohlen. Dann gehe ich langsam, wie in Zeitlupe, und versuche, die Bewegungen der Fusssohlen und die Berührungen mit dem Boden wahrzunehmen.
Dies darf keine zielstrebige Leistung sein. Mein Kopf wird von ungeordneten Gedanken entlastet. Ich bitte Gott, er möge mich sein Vorübergehen erkennen lassen und mich auf den Weg der Hingabe führen. Ich öffne mich dem Kommenden und strecke mich nach ihm aus. Im Vertrauen auf Gottes Führung wage ich mich in das Ungewisse und Unbekannte hinein - in der Hoffnung auf die Erfüllung seiner Verheissungen.
Herr, du hast mich auf die grosse Reise geschickt, die Lebensreise. Bleibe mir zur Seite. Lass mich deinen Weg gehen, Bote und Diener deiner Liebe zu sein. Gib mir die Kraft, meinen bequemen Wohnbereich verlassen zu können, dem Unbequemen nicht aus dem Weg zu gehen. Mache mich zum gastlichen Menschen, bei dem Menschen unterwegs einkehren können, wo sie Auskunft für ihren Weg erhalten und Weisung in die Richtung auf ihr Ziel.
Darum bitte ich durch Jesus Christus. Er ist der Weg des Vaters zu mir und mein Weg zum Vater.